Was passiert, wenn der Baumkontrolleur kein abschließendes Urteil fällen kann?
Bäume sehen sich im Laufe ihres Lebens mit einer Vielzahl an zerstörerischen Ereignissen konfrontiert (Sturm, Trockenheit, Menschen). In einem höheren Baumalter summieren sich immer mehr potentielle „Beschädigungen“ am Baum, die dieser mit seinen Abwehrmechanismen zu bewältigen versucht. Gelingt es nicht diese Defekte zu überwallen, kommt es zu weitreichenden Fäulen, die die Stand- und Bruchsicherheit beeinträchtigen können. In der Baumkontrolle werden diese Defekte interpretiert und unter Zuhilfenahme einfacher Hilfsmittel (bspw. Klangprobe mit dem Schonhammer) beurteilt. Die meisten Bäume können damit abschließend beurteilt und mit Hilfe von baumpflegerischen Maßnahmen nach ZTV -Baumpflege (2017) gesichert werden.
Mögliche Defekte, wie bspw. eine Fäule im Stamm sind in manchen Stadien nicht mehr allein nur mit einem Schonhammer oder einer Sondiernadel überprüfbar. Eine Fällung als Alternative verbietet sich meist aufgrund der positiven Wohlfahrtswirkungen sowie der gültigen Naturschutzgesetzgebegung (BNatSchG §§ 37, 44; NatSchAG M-V §§ 18 Baumschutz, 19 Allenschutz).
Wohlfahrtswirkungen von Bäumen:
- Lebensraum
für Fledermäuse, holzbewohnende Insektenarten, Nahrungsquelle für blattfressende Insekten, Lockmittel für Insekten, die Blattfresser fressen, u. v. m. - Sichtschutz
- Lärmschutz
- Schattenspender
- Luftfilter
- Kohlenstoffspeicher
Aufgrund des Wertes der Bäume für die Umwelt inklusive uns Menschen ist eine Erhaltung gesetzlich verankert. Wenn es sich um besonders alte, wertvolle Bäume handelt und nach der Baumkontrolle die Verkehrssicherheit nicht abschließend geklärt ist (siehe Abb 1.), so werden eingehende Untersuchungen notwendig. Diese können bspw. auch vor einer möglichen Fällung durch die zuständige Naturschutzbehörde beauflagt werden.
Eingehende Untersuchungen
Bei Eingehenden Unterschungen wird/werden mit einer Methode oder mit mehreren kombinierten Methoden mehr Informationen zum aktuellen Baumzustand eingeholt, um aus diesen Daten eine Diagnose abzuleiten. Bereits beim Durchführen der Klangprobe mit einem Schonhammer oder dem Erklimmen des Baumes mit einer Höhenzugangstechnik (Hubarbeitsbühne oder Seilklettertechnik), um beispielsweise eine Spechthöhlung genauer zu untersuchen, handelt es sich deshalb um eine eingehende Untersuchung nach FLL Baumuntersuchungsrichtlinie (2013) und FLL Baumkontrollrichtlinie (2020).
Ein Baumgutachten dient dabei dem Festhalten der Ergebnisse dieser Eingehenden Unterschung bzw. der angewandten Methoden. Es kann darüber hinaus auch andere Zielstellungen besitzen, wie beispielsweise eine Baumwertermittlung (Wie viel Schadensersatz muss jm. dem Baumeigentümer bei Schädigung dieses Baumes zahlen?) oder artenschutzfachliche Fragestellungen beantworten (Sind Höhlungen des Baumes mit geschützten Tierarten besiedelt?).
Hinsichtlich der Beurteilung der Verkehrssicherheit gibt es unterschiedliche Verfahren mit Ihren eigenen Vor- und Nachteilen. Auf deren breite Erörterung wird an dieser Stelle verzichtet.
Im Falle einer Fäule gibt es verschiedene Verfahren zum Untersuchen des Stammes auf die Ausdehnung einer Fäule hin, um die Bruchsicherheit eines Baumes abzuschätzen. Ich nutze derzeit den PICUS Schalltomograf 3 sowie die elektrische Widerstandstomografie (PICUS TreeTronic 3) in Kombination. Der Schalltomograf arbeitet mit Schalllaufzeiten, die ein Signal braucht, um durch den Baum zu dringen. Die ringsum angebrachten Sensoren sind die Grundlage, um auf die räumliche Ausdehnung des Schadens im Baum schließen zu können. Das Ergebnis wird danach grafisch dargestellt. Wenn diese Daten durch den sachkundigen Anwender interpretiert werden, können sehr gute Ergebnisse im Hinblick auf die Beurteilung der Bruchsicherheit erzielt werden. Beide Verfahren bieten den Vorteil, dass sie eine 2-dimensionale Messung liefern, die den Baum nicht beschädigt und bereits in frühen Stadien des Defektes aussagekräftig ist.
Nach der intensiven Baumkontrolle mit einfachen Hilfsmitteln wird die zu verwendende Methodik ausgewählt (Abb. 1). In diesem Falle handelt es sich um eine Stiel-Eiche (Quercus robur L.), in der eine Fäule im Stamm mittels Klangprobe festgestellt wurde. Sie wies im unteren Stammbereich zwei Mal einen bereits stärker zersetzten Pilzfruchtkörper auf. Die einsetzende Wipfeldürre und partieller Schleimfluss deuten auf Versorgungsengpässe sowie eine rückläufige Vitalität in Verbindung mit einem geminderten Zuwachs hin. Man könnte sagen, dass die Fäule „kippt“. Das bedeutet, dass der Pilz mehr Holz abbaut, als der Baum im Stande ist aufzubauen. Ergo, der Ring gesunden Holzes geschmälert wird.
An diesem Punkt ist eine Eingehende Untersuchung ratsam, um in Erfahrung zu bringen, wie viel Restwandstärke (Ring gesunden Holzes auf dem der Baum „steht“) der Baum noch besitzt und ob diese in seinem aktuellen Habitus ausreichend ist.
Hier wurde der PICUS Schalltomograf 3 verwendet, um in der Ebene mit der geringsten vermuteten Restwandstärke ein Schalltomogramm zu erstellen (Abb. 2).
Dafür wurden in der Ebene auf ca. 135 cm Höhe in einem den Stammquerschnitt idealerweise widerspiegelnden Abstand Messpunkte mit Nägeln angebracht. Die Nägel verletzen dabei nur die Borke und den Bast.
Anschließend wird mit dem PICUS Calliper die Geometrie des Stammes aufgenommen und originalgetreu im System abgebildet (Abb. 3, Abb. 4). Die Entfernungen zu den Messpunkten sind wichtig für die exakte Geschwindigkeitsberechnung. Nun wird der Schalltomograf und die dazugehörigen Sensorketten angebracht und die Messung kann beginnen (Abb. 5). Messpunkt für Messpunkt wird abgeklopft (Abb. 6) und das Gerät zeichnet die Daten auf, die der Schall vom geklopften Messpunkt zu den anderen braucht. Nach drei Messungen pro Messpunkt ist die Messung beendet.
Anschließend beginnt die Interpretation der Ergebnisse (Abb. 7). Im Schalltomogramm, das in der Eiche sichtbar ist, steht schwarz und orange für aktuell statisch stabile Bereiche, grün je nach Fall als bereits im Stadium der frühen pilzlichen Zersetzung sich befindende Bereich und lila und blau für eine Fäule oder eine Höhlung. Dann wird mittels dieser Ergebnisse die Mindestrestwandstärke abgeleitet und den zu erwartenden Lasten mittels statisch integrierter Analyse gegenübergestellt (Wessoly und Erb, 2014).
Quellen:
- Wessolly, Lothar; Erb, Martin (2014): Handbuch der Baumstatik und Baumkontrolle. 2. Auflage. Berlin. Online verfügbar unter http://slubdd.de/katalog?TN_libero_mab2.
- FLL (Hg.) (2020): Richtlinien für Baumkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit. FLL e. V. 3. Aufl.
- FLL e. V (2020): Baumkontrollrichtlinie. In: FLL (Hg.): Richtlinien für Baumkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit. FLL e. V. 3. Aufl., S. 62.
- Argus electronic GmbH: PICUS 3 Handbuch. 18059 Rostock, Erich-Schlesinger-Straße 49d. PDF.
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